Was bedeutet Orthorexie?
Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, dabei die Mengen im Blick behält und weder zu viel noch zu wenig isst, der hat im Allgemeinen keine Probleme mit ernährungsbedingten Krankheiten oder Beschwerden, die im Zusammenhang mit Essen & Trinken stehen.
Viele der sogenannten Zivilisationskrankheiten lassen sich vermeiden oder zumindest eindämmen, wenn in jungen Jahren schon Wert auf eine gesunde Ernährung gelegt wird – ohne dabei in Extreme abzugleiten.
Essen soll nicht nur den Körper versorgen, sondern daneben auch Genuss bieten – immerhin zählt gutes Essen zu den Dingen, die die Lebensqualität direkt positiv beeinflussen. Damit erfüllen Lebensmittel nicht nur einen Zweck, sondern wirken sich zudem auch auf die Psyche aus: Wir alle kennen das, wenn wir mit Genuss ein Stück Schokolade essen und uns danach glücklich und zufrieden fühlen.
Von der gesunden Ernährung zur Essstörung
Obwohl eine passende und individuell optimale Ernährung gar nicht schwer ist, haben sich insbesondere in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Berichte über Essstörungen gehäuft. Nicht nur bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sondern quer durch alle Altersschichten zeigen sich immer häufiger schwere Verhaltensprobleme rund um das Essen – das kann sich sowohl in Beschwerdebildern wie Magersucht und Bulimie äußern, aber auch in völlig planlosem Essen bis hin zur regelrechten Fresssucht.
Eine Essstörung der besonderen Art ist die sogenannte Orthorexie: Hierunter wird das Verhalten subsumiert, das Menschen an den Tag legen, wenn sie ausschließlich Vollwertkost zu sich nehmen, nur in Bioläden einkaufen (oder eben entsprechende Bioqualität aus anderen Läden beziehen) und vorzugsweise unverarbeitete Lebensmittel verwenden.
Natürlich ist diese Ernährungsweise ohne Diskussion gesund und für den Stoffwechsel außerordentlich vorteilhaft. Problematisch wird sie jedoch dann, wenn sie so verbissen verfolgt wird, dass sich das gesamte Leben nur noch um Essen und den gesunden Charakter der Ernährungsplanung dreht.
Ähnlich wie bei Magersüchtigen wird bei Orthorexie-Kranken das Essen zum Lebensmittelpunkt. Dazu gehört nicht nur das Kalorienzählen, sondern eben auch Themen, die nur entfernt mit dem Essen an sich zu tun haben – so zum Beispiel mit dem Anbau von Gemüse und Obst oder der Aufzucht von Tieren.
Qualität vor Quantität
Im Gegensatz zu anderen Essstörungen geht es Orthorexie-Kranken also nicht darum, wie viel sie essen – sondern um die Qualität von dem, was sie essen. Orthorexie-Kranke haben fast schon panische Angst davor, etwas Ungesundes zu sich zu nehmen. Das Tückische an der Krankheit: Die Regeln für Lebensmittel, die als gesund gelten, steigern sich dabei von Zeit zu Zeit bis ins Absurde. Dadurch verringert sich der Lebensmittelpool und auch die Möglichkeit, sich ausgewogen und ausreichend zu ernähren.
Problematisch wirkt sich dabei häufig aus, dass die Kranken tatsächlich nur wenig Ahnung von der Materie haben und es dadurch oft zu Fehleinschätzungen kommt. Die Krankheit entwickelt sich schleichend und schränkt die individuelle Lebensqualität immer mehr ein – ohne, dass es von den Betroffenen selbst bemerkt wird. Diese „trösten“ sich damit, dass die Lebensführung scheinbar gesund ist und eigentlich nur dem Körper nutzen soll.
Bislang ist Orthorexie nicht als Krankheit definiert, sondern lediglich als verhaltenspsychologische Ernährungsstörung. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten wie Anorexie oder Bulimie fehlen darüber hinaus auch Behandlungsansätze. Wichtig ist für Betroffene, dass sie wieder lernen, dass Essen auch ein Genuss ist und dieser Genuss nicht zwangsläufig schädigend für den Körper sein muss. Hier sind oft schwere Geschütze in Form von Studien und Untersuchungen nötig, um die Betroffenen davon zu überzeugen.